Das Oberlandesgericht Köln hat am 16.05.2012 in einem Urteil die Rechte der Anschlussinhaber erneut gestärkt. Die hier vertretene Rechtsauffassung wurde vom Landgericht Köln mit Urteil vom 11.09.2012 weiter ausgeführt und präzisiert.
Nach Ansicht beider Gerichte legen die Abmahnkanzleien die BGH-Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ falsch aus. Wenn sich diese Ansicht weiter durchsetzt, senkt dies das Prozessrisiko, welchem sich ein Anschlussinhaber ausgesetzt sieht, der keine Urheberrechtsverletzung begangen hat, immens.
Meist hat der Anschlussinhaber noch nie von „Peer-to-Peer-Netzwerken“ oder Internettauschbörsen gehört und kennt den heruntergeladenen Film, das Computerspiel bzw. das Lied oder Musikalbum überhaupt nicht, dessen unberechtigte Zurverfügungstellung im Internet ihm vorgeworfen wird. Die Abmahnkanzleien versuchen bisher regelmäßig zu suggerieren, die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, welcher als „Störer“ identifiziert wurde, würde soweit führen, dass er zum einen beweisen müsste, dass er selbst die Verfehlung nicht begangen hat und weiter nachweisen müsste, welcher Nutzer als Täter in Betracht kommt.
Stattdessen wurde vom OLG Köln richtiger Weise die ständige Rechtsprechung fortgeführt, dass eine generelle Haftung für den Anschlussinhaber bei volljährigen berechtigten Mitnutzern abgelehnt werden muss. Dem Anschlussinhaber kann weder ein Verhalten seiner Familienangehörigen zugerechnet werden, noch muss er seine Mitbewohner ständigen Kontrollen unterziehen, oder für die Abmahnenden recherchieren, welcher Mitbewohner als „Täter“ in Betracht kommt.
Diese Rechtsprechung wurde nunmehr vom LG Köln auch auf minderjährige Mitbewohner erweitert. Hierzu führt das Landgericht aus, dass zwar hinsichtlich der Nutzung eines vorhandenen Internetanschlusses durch Kinder – jedenfalls wenn diese noch minderjährig sind – zwar Prüf- und Kontrollpflichten des Anschlussinhabers bestehen. Im entschiedenen Fall konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass eine etwaige Verletzung solcher Prüfpflichten gegenüber den Kindern des Anschlussinhabers für die Urheberrechtsverletzung kausal geworden wäre. Es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Urheberrechtsverletzung nicht durch die minderjährigen Kinder, sondern durch die Ehefrau, der gegenüber keine Prüfpflichten bestanden haben, erfolgt sein kann.
Dies bedeutet kurz gesagt, dass wenn mindestens ein volljähriger naher Angehöriger den Internetanschluss mit benutzt, diesem gegenüber keine Prüfpflichten bestehen. Sollte dieser zumindest theoretisch als „Täter“in Betracht kommen, kann der Anschlussinhaber auch nicht belangt werden, wenn er nicht ausschließen kann, dass die Verletzung ggf. durch ein minderjähriges Kind erfolgt ist.
Hinsichtlich der angeblichen Beweislast, welche die Abmahnkanzleien dem Anschlussinhaber auflasten wollen, stellt das Landgericht Köln noch einmal klar, dass die Klägerin einen Kausalverlauf schlüssig darzulegen und ggf. zu beweisen hat, der eine Störerhaftung des Beklagten begründen könnte. Können nämlich schon weitergehende – sekundäre – Darlegungen des Anschlussinhabers als diejenige, dass Hausgenossen selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen können, bei der täterschaftlichen Handlung, bei der zudem eine tatsächliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber streitet, nicht verlangt werden, kann dies erstrecht nicht bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme als Störer gefordert werden.
Zusammengefasst muss also nicht der Anschlussinhaber beweisen, dass er die Urheberrechtsverletzung nicht zu vertreten hat, sondern der Abmahnende bzw. der Rechteinhaber muss beweisen, warum derjenige, der nicht selbst Täter ist, als Störer haften soll.
Das Landgericht Düsseldorf hat am 21.03.2012 in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses seiner sekundären Darlegungslast bereits dann ausreichend nachkommt, wenn er die Tatsachen vorträgt aus denen sich ergibt, dass er nicht als Täter infrage kommt. Ausreichend war demnach die Behauptung, dass sich auf seinem Rechner weder die streitgegenständlichen Dateien noch eine entsprechende Filesharing-Software befunden haben. Die vom BGH auferlegte sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht, den Sachverhalt zu beweisen. Das Landgericht Düsseldorf hat ausgeführt, dass von dem Beklagten nicht über einem Jahr nach der vorgeworfenen Rechtsverletzung verlangt werden konnte, dass er z. B. ein Router-Protokoll zu seiner Entlastung vorlegen muss (Az. 12 O 579/10).
Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Landes- und insbesondere Oberlandesgerichte dieser Rechtsprechung anschließen, da sie die einzig logische und rechtlich stringente Weiterführung der BGH-Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ ist. Ob dennoch „vorsorglich“ die Abgabe einer modifizierten (!) Unterlassungserklärung durch den Anschlussinhaber erfolgen sollte, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Jedenfalls verliert der Anschlussinhaber durch Abgabe dieser Erklärung nichts, wenn er tatsächlich keine Internettauschbörsen nutzt und kein Interesse an dem angeblich angebotenen Lied, Film oder Computerprogramm/-spiel hat.
Wir beraten Sie gerne, entwerfen eine auf Ihren Fall passende modifizierte Unterlassungserklärung und übernehmen die weitere Korrespondenz mit den Abmahnern.