Nachdem jahrelang Nutzer wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen (angeblich illegale Verbreitung von Filmen, PC-Spielen, sowie Musiktiteln) abgemahnt wurden, wurde aktuell eine neue Abmahnwelle losgetreten, die einen abweichenden Sachverhalt betrifft.
In der neuen Abmahnwelle mahnt die Kanzlei U + C im Namen der „The Archive AG“ Nutzer der Internetplattform „Redtube“ wegen (angeblich) illegaler Porno-Abrufe ab. Neu hierbei ist, dass es sich um s. g. Streaming handelt, d. h. – im Unterschied zu den „klassischen Tauschbörsenfällen“ – die Videos wurden im Web direkt aufgerufen und nur kurz auf dem Computer des jeweiligen Nutzers zwischengespeichert, jedoch keine dauerhafte Kopie auf dem heimischen Computer gespeichert und diese vorübergehende Kopie wird nicht in einem „verbreitungsfähigen“ Format bereit gestellt.
Genau hier liegt ein Knackpunkt der neuen Fälle, denn es ist juristisch höchst streitig, ob eine derartige kurzzeitige Zwischenspeicherung gemäß § 44 a Urheberrechtsgesetz urheberrechtsverletzend wirkt. Weiterhin ist höchst streitig, ob es sich um eine legale Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch nach §53 Urheberrechtsgesetz handelt. Sollte mindestens eine der beiden Vorschriften greifen, läge überhaupt keine Urheberrechtsverletzung vor!
Besonders prekär an der Angelegenheit ist für die meisten Nutzer aber, dass diese sich überhaupt nicht bewusst waren, eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben. Der Betreiber der Internetdomain www.redtube.com versichert in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass die Urheberrechte der Nutzer des Dienstes geschützt werden und der „Digital Millennium Copyright Act (DMCA)“ vollumfänglich anerkannt wird. Dies bedeutet dann aber auch, dass die „The Archive AG“ bzw. die U + C Rechtsanwälte statt der Abmahnungen die übliche und in aller Regel funktionierende Vorgehensweise via DCMA-Eingabe hätten nutzen können und angeblich widerrechtlich eingestellte Videos hätten entfernen lassen können. Diese Art des Vorgehens wäre deutlich schneller und kostengünstiger gewesen, als den Weg über eine Abmahnung zu gehen. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass aufgrund von Profitstrebens massenhaft Abmahnfälle generiert wurden.
Weiterhin stößt sowohl betroffenen Nutzern, als auch deren Rechtsvertretern sauer auf, dass nicht klar ist, auf welchem Wege die Massenabmahner an die IP-Adressen der jeweiligen Nutzer gelangt sind. Der Plattformbetreiber bestreitet die Nutzerdaten herausgegeben zu haben. Viele Nutzer vermuten daher, dass die Daten auf illegalem Wege beschafft wurden.
Diverse betroffene Nutzer haben herausgefunden, dass in ihren Browser-Historien vergleichbare Unregelmäßigkeiten aufgetaucht sind. Bei mehreren Nutzern ist kurz vor dem Zeitraum, der abgemahnt wurde, in der Browser-Historie ein Zugriff auf „Trafficholder.com“ erfolgt. Von dort aus erfolgte eine automatische Weiterleitung zu einer Domain namens „Retdube.net“. Über diese erfolgte dann eine Weiterleitung auf das Portal Redtube.com. Über diesen Umweg konnte ein s. g. „IP-Logging“ erfolgen, der Betreiber des Portals Trafficholder die IP-Adressen der Nutzer speichern, die arglos umgeleitet wurden. Traficholder.com ist ein s. g. Adult-Traffic-Broker, der Seitenaufrufe gegen Bezahlung auf eine andere Seite umleitet und sich dafür bezahlen lässt, dass die Nutzer auf diese andere, nicht gewünschte, Seite umgeleitet werden. Ohne dass der Nutzer dies erfährt, werden auf dem Wege IP-Adressen gespeichert und wahrscheinlich zu Tausenden weiter verkauft.
Sollte auf diesem Wege ein „Abgriff“ der IP-Adressen erfolgt sein, würde dies bedeuten, dass die Rechteinhaber bzw. deren Helfer gezielt Nutzer aus Deutschland über Trafficholder auf falsche Seiten umgeleitet haben, um dort die IP-Adresse zu speichern und dann auf die eigentlich gewünschte Seite von „Redtube.com“ weiterzuleiten. Die behaupteten Urheberrechtsverletzungen wären somit von den Abmahnenden produziert worden und die Speicherung der IP-Adressen wäre auf illegaler Weise erfolgt.
Betroffene sollten in jedem Falle rechtlichen Rat einholen und weder eine Zahlung an die Abmahner leisten, noch ungeprüft die mit gesendete Unterlassungserklärung unterschreiben.